Brief an Bernhard Schulz
Dr.
med. Heinrich Book Chefarzt i.R.
Sehr geehrter Herr Schulz, mit dieser förmlichen Anrede muss ich
mich, mit gesenkter Nase, dafür entschuldigen, dass ich Sie in der "Tunschere", unserem Loruper Heimatkalender, in
den Himmel versetzt habe. Als Trost kann ich dafür nur anbieten, dass Totgesagte erfahrungsgemäß ein sehr langes
irdisches Leben haben. Umso mehr und umso lieber kann ich nun Bernhard
Schulz für seinen humorvollen Bericht über seine Fahrt als Junge von Köln nach Lorup "Dieser Junge reist nach
Lorup" danken und dies nun ad personam und ein wenig in der Hoffnung auf eine Fortsetzung und auf eine
Interpretation der damaligen Eindrücke in einem persöhnlichen Gespräch - Das jedenfalls hat ein erstes Gespräch mit
Ihrer Frau am Telefon deutlich werden lassen. Schon der gemeinsame Ursprung ihres Geburtsnamens Böking mit dem
unseren von der Buche ausgehend, hat dazu die erste Starthilfe geleistet. Auf in Echo zu meinem, an die Himmelspforte gerichteten Brief an Bernhard Schulz bin ich jedenfalls
sehr neugierig und könnte auch in der "Tunschere" des nächsten Jahres zur Belustigung
beitragen. Dazu wäre ein Zusammentreffen, hier in Sendenhorst oder auch in
Osnabrück durchaus im Bereich des Möglichen. Mit besten Wünschen für das
schon munter laufende Jahr 2000 für Sie und Ihre Frau
Ihr Heinrich und Maria Book
Aus der schwer lesbaren Handschrift des
Chefarztes i.R. übersetzt am 21.1.2000
Antwortbrief von Bernhard Schulz
Der Heimatkalender 2000 für Lorup, einem Dorf im Hümmling, veröffentlicht einen offenen "Brief
an Bernhard Schulz". Der Verfasser zeichnet mit Dr. Heinrich Book, Chefarzt in Ruhe. Der Doktor richtet
seinen Brief an die Himmelspforte. Es ehrt mich, dass er mich im Himmel vermutet, wo ich eigentlich nicht
hingehöre. Er hofft, dass sich dort oben ein Engel aufmacht, um mich im Seelengewimmel zu
finden. Anlass des Machrufs ist eine Erzählung, die ich 1968 geschrieben habe.
Es handelt sich um eine abenteuerliche Reise mit der Eisenbahn von Lindlar, dem Wohnort meiner Eltern im
Bergischen Land, nach Lorup, diesem Dorf im Hümmling, in dem eine Schwester meiner Mutter als Lehrerin
wirkte. Tante Therese hatte mich eingeladen, sie in den Osterferien zu
besuchen. In ihrem Brief wurden Heidschnucken, Störche, Tee mit Kandis und Buchweizen» pfannekuchen erwähnt.
Also, auf geht's nach Lorup. Ich war neun Jahre alt und neugierig. Man schrieb das Jahr
1923 und über dem Sofa in unserer Guten Stube hing
Hindenburg. Ich fuhr auf Schülerkarte in Personenzügen und musste bis Sanktus
Lorup sechsmal umsteigen, mit einer Übernachtung bei Verwandten in Osnabrück. Lag dieses heilige Lorup am
Ende der Welt? Meine Mutter hatte mir, um die jeweiligen Zugschaffner um Beistand anzuregen, ein Schild um
den Hals gehängt, darauf stand "Dieser Junge fährt nach Lorup". Als mich ein Mädchen, das mir gegenübersaß, fragte, ob ich doof sei,
riss ich die Pappe ab und setzte mich drauf. Das war der Beginn meiner Abenteuer im
Hümmling. Heinrich Boll hat gesagt: "Wenn im Kopf eines Buchhändlers ein Romantitel ein halbes
Jahr lang haften bleibt, dann ist das ein grosser Erfolg für den Autor." Und hier hat jemand über drei
Jahrzehnte hin eine Erzählung in der Brieftasche, in der Schublade oder sogar in einem Schliessfach der
Deutschen Bank aufbewahrt, um mir, dem soeben Dahingegangenen, ein spätes Lächeln zu
schenken.
|