Farben machen optimistisch 1951
Zum Jubiläum der "Farbenkiste" in der Stubenstraße in Osnabrück
Als der Kunstmaler Ludwig Heintzmann im Jahre 1920 in der Stuben- straße in Osnabrück ein
Einzelhandelsgeschäft in Farben und Malerzubehör eröffnete und seinen Laden schlechthin "Heintzmanns Farbenkiste"
firmierte, ereignete sich gleich zu Beginn etwas Anekdotisches. Ein alter Herr ließ sich nach einer Probe - es
waren einige Krümelchen graugrüner Küchenwand – für zwanzig Pfennig Farbe anrühren. Nun, der erste Kunde sollte
bestens bedient werden, versteht sich. Heintzmann mischte einen ganzen Eimer, goß den Topf voll und forderte
zwanzig Pfennig. "Die liegen unten drin", lächelte der alte Herr.
So fing es damals an, und so ist es bis heute geblieben. Ich meine das Anekdotische. Es vergeht kaum ein Tag, an
dem sich nicht diese oder jene liebenswürdig-heitere Szene abspielt. Kunstmaler, Graphiker, Dekorateure,
Schildermaler und Plakatzeichner sind eben ein besonderes Völkchen. Nicht, daß sie grundsätzlich das Geld im Topf
liegenlassen, aber sie bringen mit ihren Bestellungen einen Hauch jener Atmosphäre mit, darin sie tagsüber und
vielleicht auch nachtsüber schaffen und grübeln.
Künstler kaufen nicht ein nach der Methode jener Hausfrauen, die ihre Posten seriös auf einem Notizblatt ordnen.
Künstler lieben die Improvisation, genialen Einfall, der ihnen erst beim Einkaufen kommt und der dem Ordnungsfimmel
trotzt. Sie lassen sich gerne animieren. Sie probieren die Farben auf dem Handrücken aus, beschnupperm sie, um
Ihren Duft gleichsam auf dem Geruchsnerv zergehen zu lassen, und dabei schwatzen sie dann ein wenig.
Geschäfte wie die Farbenkiste müssen in einer Seitenstraße etabliert sein, in enger Gasse zwischen schmalbrüstigen
Häusern. Es muß hier nach Brot und Äpfeln und frischer Mettwurst duften. Ein Pferdegespann muß vor einem Lagerhaus
halten und Hafer kauen. Der Bürgersteig darf um Himmels willen nicht den Eindruck erwecken, als sei er für die
irdischen Füße gottbegnadeter Kunstschaffender mit schäumender Schmierseife gereinigt worden.
Künstler in Bildern. Was könnten sie Sinngemäßeres tun? Auf diese Weise ist in ihrem Salon, einem saalähnlichen
Raum, den sie eigens für Zusammenkünfte mit der Malerwelt eingerichtet hat, eine reizvolle und gewiß wertvolle
Galerie entstanden, die, wer weiß wann? - ihren Zins erbringen wird.
Farben machen optimistisch, behauptet Frau Heintzmann, sie verbreiten Heiterkeit und Frohsinn. Das ist wahr. Was
wären wir ohne Farben, Farblose Pessimisten. Erst die Farbe erhebt uns zu Optimisten, sie erfüllt unser Dasein mit
optischer Lust und variabler Innigkeit. Ein mit Silber bronziertes Ofenrohr ist vergnüglicher anzuschauen als ein
schwarzes.
So ist also die Farbenkiste ein Quell der Heiterkeit für unsere Stadt. Ihr entsickern im Ursprung alle Dinge, die
unsere Hornhaut anregen und unseres Herzen täglichen Aufruhr besänftigen. Ich weiß nicht, welche Sprüche ein Mann
wie Goethe über die Entdeckung der Farben gemacht hat, aber ich wette, dass auch er eine bunte Schürze amüsanter
gefunden hat als einen Lappen aus naturfarbenem Nessel.
Wir sind der Farbenkiste zu Dank verpflichtet. Wir geben zu, dass unser Leben ohne Farbe ein graues Garnichts wäre,
besonders im Winter. Das Kleinkind macht mit Kohle seine ersten Striche auf Mutters Wohnstubentapete. Der
Gymnasiast schwärmt in Tempera. Die Lyceistin schnitzt ihre Gefühle in Linoleum. Der Kleingärtner pinselt mit
fester Hand seinen Gartenzaun. Die Hausfrau streicht sich am Abend auf ihrem Fußboden ein. Alte Damen bemalen zu
Weihnachten Kacheln und Kissenplatten. Der Kunstmaler gebärdet sich abstrakt in Öl. Und der Schildermaler offeriert
uns frischen Röstkaffee…
Der Farbenkiste zum fünfundfünfstigesten Geburtstag ein dreifach Hoch und Segen!
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