Der Till
Ein Lokalpatriot und der Anwalt des Bürgers

So alt wie die Bundesrepublik: Vor 50 Jahren der erste „Till"

 

Der TillSo kennen ihn unsere Leser: Till, das ist ein älterer Herr mit Pfeife, Fliege und Regen­schirm, der jeden Morgen das Zeitgeschehen in Osna­brück kommentiert. Schein­bar alterslos ist dieser Mann, und dennoch nicht ohne Ge­schichte. Denn Till hat heute Geburtstag vor genau 50 Jahren erschien zum ersten Mal eine Kolumne mit dem klassischen Anfangssatz „Till freut sich auf die Eröffnung der Badesaison in Osna­brück".

Und weil Till ein Mann mit Lebenserfahrung war (und ist), folgte damals auch schon der kleine Wermuts­tropfen: „Bei Regenwetter fällt die Eröffnung ins Was­ser." Im Frühjahr 1949 ging es um die Eröffnung des Moskaubades, zwei Tage spä­ter vermerkte der Chronist das Auftauchen von Ananas und Bananen in den Gemü­seläden auch das ein Zei­chen für den Aufschwung nach den Jahren der Entbeh­rungen.

 


BERNHARD SCHULZ:
Journalist, Schriftsteller und „Erfinder" des Till; hier im privaten Arbeitszimmer vor den Buchumschlägen seiner gesammelten Werke.
Foto: Michael Hermann



Nun stehen hinter einem solchen Pseudonym und hinter der regelmäßigen Lo­kalspitze, wie der journalisti­sche Fachbegriff für die Ko­lumne oben links auf der Seite lautet, selbstverständ­lich Menschen aus Fleisch und Blut. Wenn Till also heute Geburtstag hat, dann sei es gestattet, einmal dieje­nigen ins Bild zu rücken, die dieses Osnabrücker ...(?) ...

 

Neue Tageblatt", die damals einzige Zeitung am Ort.

Den Namen Till habe er dem Volksbuch „Till Uilenspegel und Lamme Goedzak" von Charles de Coster ent­nommen, berichtet er: „Eine Art Hofnarr, der die Wahr­heit sagen konnte, ohne dafür bestraft zu werden. Und auch uns tat es gut, das Narrenzepter nach der Zeit der Marschallsstäbe zu führen. Schon schien nunmehr jeden Tag an der gewohnten Stelle „oben links" auf der ersten Lokalseite und von da an hatte diese Figur auch ein Gesicht, gezeichnet von dem Karikaturisten Fritz Wolf.Der Till

Wir wollten den Men­schen einen freundlichen Einstieg in den Tag bieten", erinnert sich Rudolf Schach­tebeck an seine damaligen Gedanken.

Außerdem wollte er heiterironisch und gemil­dert durch die literarische Kunstfigur des Till Kritik üben können und Lob aus­sprechen ganz wie es der Tag erforderte.

Nach den eher feuilletonistischen Betrachtungen des Bernhard Schulz der ein­mal an eine Verlobungsan­zeige den schön doppeldeu­tigen Satz anknüpfte „Es gibt zwar Verlobungen, die ge­hen gut aus, aber die meisten enden doch in der Ehe." wurde der Till so zu einem Anwalt des Bürgers. Rudolf Schachtebeck hat es bei sei­nem 25jährigen Dienstjubiläum so gesagt: „Wir kön­nen die Welt im Großen nicht verändern, aber hier in unserem engeren Lebensbereich. Dafür gibt es auch in Osnabrück zahlreiche Bei­spiele."

 

Der Till mit verschiedenen Gesichtern

Dieser Till hat viele Gesichter:
Mal stirnrunzelnd, mal freudestrahlend und auch nach­denklich das spärliche Haupthaar kratzend, so hat der Karikaturist Fritz Wolf unseren Stadt­chronisten vor über 35 Jahren aufs Papier gebracht.

 

 

 

Eingeschaltet in den Tillschen Lebenslauf war übri­gens eine Periode, da er sich seinen Platz kollegial mit Willibald, dem vorherigen Konkurrenten Hans Wolf­gang Kindervater vom „Osnabrücker Tageblatt" teilte. Als nämlich die beiden Ver­lage gemeinsam die Neue Osnabrücker Zeitung be­gründeten, traten die beiden am 2. Oktober 1967 zusam­men in einer Kolumne an.

Till jedenfalls betrachtet das Leben in seiner Stadt aus vielen Perspektiven: Als Kleingärtner oder vom Bal­kon, als Eigenheimbesitzer oder Mieter, auch als Tabaks­qualmgeschädigter, obwohl er doch bildlich zumindest mit einer Pfeife als Attribut versehen ist. Und nicht im­mer spricht hier ein Mann: auch die Kolleginnen aus der Lokalredaktion schreiben unter der Rubrik Till. Und so wird es weitergehen. Wolf­gang Hasheider als amtieren­der Lokalchef der Neuen OZ sagt es so: „Was auch ge­schieht, wir sind für unsere Leser da. Täglich neu."



RUDOLF SCHACHTEBECK: Bis 1984 zierte seinen Schreibtisch diese tönerne Figur des „Till", durch dessen Maske er, über drei Jahrzehnte lang, gesprochen hat. Foto: Klaus Lindemann

 

 

 

 

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Von Frank Henrichvark;
Aus: NOZ, Mittwoch, 19. Mai 1999

 

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Der Till - Leserstimmen