So kommt eine Frau in Druck
Nicht jede Frau hat das Titelfoto im Kosmetikköfferchen. Aber jede Eva sähe ihr Konterfei ganz
gern schwarz auf weiß. Als Beweis dafür, dass es ihr an Profil nicht fehlt. Bernhard Schulz registriert hier
diesbezügliche Anstrengungen seiner besseren Hälfte: eulich sagte meine Frau, sie hätte beschlossen, wieder
einmal ein gutes Buch zu lesen. »Ich möchte wie früher«, sagte sie, »heute Abend unter der Lampe sitzen und
schmökern. Ich habe den Schlüssel zur Fernsehtruhe abgezogen.«
Ich legte ihr Gottfried Kellers »Züricher Novellen« hin, aber meine Frau schlug eine gängige Zeitschrift auf, und
nach einer Weile sagte sie: »Schau dir das an. Die schreckt vor nichts zurück.« »Wer schreckt vor nichts zurück?«
»Die Meier-Berens. Sie haben hier ihr Foto veröffentlicht, weil sie zu den Frauen gehört, die offen ihre
Meinung über den Gebrauch von Lippenstiften in Mädchenschulen gesagt haben. Sie ist dagegen.« »Du kannst dich
ja auch nach deiner Meinung befragen lassen«, sagte ich »Dazu muss man so bedeutend sein wie die Meier Berens«,
antwortete sie, »meine Meinung will niemand wissen. Ich bin unbedeutend. Eine schlichte Hausfrau. Eine Frau aus dem
Volke
Ein paar Tage später kam mit der Post ein Prospekt ins Haus, der uns die Anschaffung von Polstermöbeln auf Raten
dringend empfahl. Auf der Rückseite entdeckten wir das Bild einer Dame aus unserer Nachbarschaft, die an die
Polstermöbelfabrik einen Brief gesandt hatte, in dem sie ihre volle Zufriedenheit aussprach.
»So was Albernes«, meinte meine Frau. Aber sie warf gleichzeitig einen kritischen Blick auf unsere alte
Polstergarnitur und sagte: »Vielleicht solltest du dich auch ein bisschen anstrengen.«
»Kleine Fische!« sagte ich großspurig. Wir gingen also los und kauften neue Polstermöbel. Ich legte dem
Geschäftsführer eine Großaufnahme meiner Frau neben die Ladenkasse und beteuerte, dass auch sie voll zufrieden
sei. Dann warteten wir darauf, dass sie eine Postwurfsendung daraus machten. Motto: >Seit sich Frau Schulz auf
unseren erstklassigen Polstern rekelt, hat sie ein völlig neues Sitzgefühl.<
Wir versuchten es dreimal, die Zufriedenheit meiner Frau in irgendeiner Sache zum Ausdruck zu bringen. Einmal
handelte es sich um eine Nachtcreme, dann um eine neue Art von Bratpfanne und zuletzt um ein Kochbuch. Ich sagte,
dass Verleger am ehesten bereit wären, die Stimme ihrer Leser abzudrucken, und warum nicht ein Bildchen dazu?
Aber dem Verleger schien der Gesichtsausdruck meiner Frau wahrscheinlich nicht zu passen. »Vielleicht liegt es an
der Frisur«, sagte ich. Diese Bemerkung kostete mich fünfhundert Markt für ein Haarteil. Die Sache lief etwas
schief.
Wir stellten fest, dass es reine Glücksache sei, in einer Zeitschrift oder in einem Prospekt abgebildet zu werden,
und dass manchen Leuten, die es gar nicht verdient hätten, dieses Glück zuteil würde. »Mach dir nichts draus«,
sagte ich. Dann kam es so, dass in unserer kleinen Stadt ein Gremium gebildet wurde, das sich bei den Behörden
dafür einsetzen sollte, ein neues Gymnasium für Mädchen zu bauen. Ich kannte den Vorsitzenden dieses Gremiums,
einen gewissen Dr. Schmitthenn, und das Schicksal hatte seine Hand im Spiel, als er mich im Büro anrief und
meinte: »Sagen Sie mal, könnten wir Ihre Frau für unser Gremium gewinnen? Sie haben doch Töchter, nicht wahr? Wir
brauchen noch jemanden für unsere Sache.«
Meine Frau sagte sofort zu. Das Wort Gremium gefiel ihr. Sie erkannte, dass hier die große Chance gekommen
war. Sie trat mit Feuereifer dafür ein, dass ein neues Gymnasium gebaut werden sollte, und der Erfolg war, dass
sie auf einem Gruppenfoto in der Tageszeitung zu sehen war, sozusagen als Dame mit politischem Engagemen.
Als der Grundstein zum Gymnasium gelegt wurde, wandte sie sich vertraulich an den gewissen Dr. Schmitthenn und
fragte: »Wie sind Sie darauf gekommen, ausgerechnet mich aufzufordern, dem Gremium beizutreten?«
»Ja, wissen Sie«, antwortete der Vorsitzende, indem er seine Gläser absetzte und mit dem Ziertüchlein reinigte:
»Ich hatte lauter Senatoren, Professoren und Doktores zusammengebracht. Was uns fehlte, war eine schlichte
Hausfrau. Eine Frau aus dem Volke.
Hörzu 16. November 1968
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