Poesie der Feldwege

Poesie der Feldwege

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Bernhard Schulz: Poesie der Feldwege.

Vorwort von Wilmont Haacke, Illustrationen von Bruno Kröll, 146 Seiten, Leinen, 19,80 DM, Verlag Lechte, Emsdetten, 1989.

Es gibt einen berühmten „Feldweg": er führt aus der süddeutschen Kleinstadt Meßkirch hinaus zum Wald und wurde von keinem Geringeren als Martin Heidegger meditierend begangen. Seit der Philosoph einen kleinen Text darüber schrieb, ist dieser Feldweg zum Inbegriff philosophischen Nachdenkens geworden. Die „Poesie der Feldwege", die Bernhard Schulz entdeckt und beschrieben hat, erhebt zwar nicht die Ansprüche Heideggers, biete aber nicht geringe Anlässe für die Leser, sich zu besinnen. Arbeiten „kleiner Form" hat Schulz in dem Buch gesammelt, petits riens, die dennoch weit mehr sind als „kleine Nichtse". Da liest man von Äpfeln und Birnen, einem Förster ohne Revier, von Neuigkeiten über Wölfe und einer Braut im Regen, von Abenteuern auf dem Leinpfad und endlich von so feinen Sachen wie einem Wintermorgen mit Sonne oder einem Duft von Heu. Kleine Aquarelle also, Wortaquarelle, locker gefügt und doch nicht ohne Tiefgang, und man liest dies alles nicht ohne Vergnügen und jene Heiterkeit, die dem wahren Philosophen gut ansteht.
Es ist richtig, daß im Vorwort von Wilmont Haacke Zeilen von Brecht zitiert werden, schwerelose: „Doch jene Wolke blühte nur Minuten, und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind." Texte wie kleine Wolkengebilde, das hat Bernhard Schulz zu bieten. Daß das Ganze noch mit hübschen Zeichnungen von Bruno Kröll garniert ist, macht es zu einem literarischen Leckerbissen.

Hans Dieter Schmidt

Deutsche Tagespost Nr.: 6 Würzburg Samstag, 13. Januar 1990

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Meister der »Kleinen Form«

»Doch jene Wolke blühte nur Minuten, und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind«, heißt es bei Bert Brecht (1898-1956) im Gedicht »Erinnerung an die Marie A.«. Wie der Wolke ergeht es den meisten Feuilletons, die nur aus dem Tag kommen und mit ihm verge­hen. Dennoch werden derlei Causerien, wie man sie zu Theodor Fontanes Zeiten nannte, mitunter gesammelt und sogar zwischen zwei Buchdeckeln aufgehoben. Das geschieht frei­lich nur dann, wenn von ihnen ein Hauch jener „Unsterblichkeit des Tages" ausgeht, von wel­cher einstmals der Wiener Feuilletonist Lud­wig Speidel (1830-1906) sprach.
Solch raren Nimbus strahlen gar manche der Plaudereien aus, die Bernhard Schulz als Mann der Zeitung im Laufe seines Lebens verfaßte. Man erwartet, daß jene Persönlichkeiten, wel­che in den Gazetten für das Ressort Feuilleton verantwortlich zeichnen, wachsam für umfas­sende Kultur-Berichterstattung sorgen. Einige von ihnen, es gibt deren nur noch wenige, erfreuen sich selbst und die Leser ihres Blattes obendrein durch das Verfassen und Veröffentli­chen eigener Feuilletons. Das geschieht zusätz­lich, freiwillig und gleichsam nebenher. Derlei literarisch-publizistische »Sonderangebote« werden wegen der in ihnen enthaltenen Zeu­genschaft über das Menschliche im Alltag (»the human side of life«) als Musterbeispiele der »Kleinen Form« erkannt und anerkannt.
Namhafte Rezensenten wie Friedrich Hock, Hans Riebau und andere rückten für die Presse notierte Prosastücke aus der Schreibmaschine von Bernhard Schulz in die Nähe der im Tonfall leise gehaltenen Etuden Victor Auburtins (1870-1928). Beider Feuilletonisten Arbeiten zu vergleichen, bot sich an, weil der eine wie der andere herzensgerne aus und über Spanien berichteten. Für das »Berliner Tageblatt« schrieb Victor Auburtin, Klassiker der »Klei­nen Form« zu Zeiten, als die Germanen noch nicht unter Benzinwolken an südliche Betonge­stade rasten.
Auburtin gab seine liebenswürdigen Skizzen von draussen und von daheim, über Alles und Nichts, als sein Bestes vom Besten höchstens einmal pro Woche zum Besten. Sie verursach­ten Dankesbriefe von Lesern und Leserinnen. Darin hieß es, er möge doch, weil seine Studien so gut gefielen, häufiger schreiben und längere Beiträge schicken. Verblüfft antwortete Aubur­tin im Rahmen einer Reise-Skizze aus Madrid. Nein, das ginge nicht. Und warum nicht? Nun, er habe seine Einfälle nur morgens beim Rasie­ren. Schließlich könne er sich doch nicht den ganzen Tag rasieren.
In seiner zur Verteidigung schriftstel­lerischer Freiheit formulierten Antwort steckt eine gescheite Aussage über die für Blätter des Tages geschriebenen Miniaturen. Prosa für die Presse muß kurz gefaßt sein.
Alfred Polgar (1873-1955), Journalist wie Auburtin und gleich ihm ein Meister des Stiles, notierte in dem Bande »An den Rand geschrie­ben« (1925): »Ich halte episodische Kürze für durchaus angemessen . . . Kürzeste Linie von Punkt zu Punkt heißt das Gebot der fliehenden Stunde«. Das betrifft die äußere Gestaltung.
Über den Gehalt solcher Studien, über die Stimmung, die sie einfangen und wiedergeben, meldete Ernst Penzoldt (1892-1955) in seinem »Lob der Kleinen Form« (Europäische Revue, März 1941): »Charme und Grazie, diese lie­benswerten Eigenschaften sind ihre charakteri­stischen Stilformen. Unentbehrlich ist ein poe­tischer Humor. Sie nimmt sich freundschaftlich der unbeachteten Empfindungen an, die manchen nicht des Aufhebens wert erscheinen - und läßt sie leuchten.«
Drittens und endlich heißt es im »Handbuch des Feuilletons« (1952): »In der Kleinen Form ist die Dichtung wahrhaftig in die Zeitung eingegangen.«
Angesichts solcher Beschwörungen des Feuilletons als stilistischer Quintessenz ist Bernhard Schulz zu seinem Bande »Poesie der Feldwege« Glück und Erfolg zu wünschen.
Was leistete und was leistet er? Er schrieb und er schreibt Feuilletons für die Sparte Feuil­leton. Damit gehört er zur kleiner gewordenen Gruppe derer, die es noch immer verstehen, im Feuilleton das Feuilleton zu pflegen.

Salut au confrere!   W.H.