77 Jahre Osnabrücker Rundschau
1. MÄRZ 2023
Osnabrücker Rundschau: Wie kam es zur
Namensgebung?
Bereits kurz nach der virtuellen Neugeburt der „Osnabrücker Rundschau“ vor gut zwei Jahren tauchte die
Frage aus, wie es zu diesem Namen kam. Der Autor dieses Artikels hat diese Frage damals mit einem Beitrag unter der
Überschrift „Osnabrücker Rundschau: historische Streiflichter“ zu beantworten versucht. Zumal im Laufe der zwei
Jahre eine Menge Leserinnen und Leser neu zur OR gestoßen sind, veröffentlichen wir den Beitrag noch einmal in
aktualisierter Fassung.
Vorab: Die Wortschöpfung „Osnabrücker Rundschau“ ist durchaus bewusst gewählt, denn sie besitzt eine kleine
stadtgeschichtliche Tradition – und ist sogar historisch die älteste demokratische Zeitung der Stadt nach 1945.
Erstes demokratisches Blatt im Nachkriegs-Osnabrück
Auf einen Vorläufer sind die aktuellen Macher besonders stolz: Es ist jene „Osnabrücker Rundschau“, welche die
erste demokratische Zeitung nach der Befreiung vom Nazi-Faschismus darstellte und die mit kräftiger Geburtshilfe
der britischen Besatzer das Licht der Medienwelt erblickte.
Ein Blick in die Zeitumstände lohnt sich, um Hintergründe zu verstehen: Verglichen mit dem Friedensjahr 1938 war
auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik im Jahre 1946 nur ein knappes Siebtel der damaligen Papiermenge für die
wiederangeworfenen Pressewalzen vorhanden. Wer mühsam eines der neuen Blätter erstand, musste sich deshalb meistens
auf allenfalls vier, mit Glück auf sechs Zeitungsseiten beschränken. Außerdem war es im zerbombten Osnabrück
keinesfalls ausgemacht, dass die Leserschaft täglich mit ihrer Zeitungslektüre rechnen durfte.
Anlieferung einer „Zeitungsrolle“ des Osnabrücker Tageblatts in der frühen Nachkriegszeit. Foto:
Kulturgeschichtliches Museum
Geringe Seitenzahl und wenige Erscheinungstage prägten dann logischerweise auch die am 1. März 1946 erschienene
„Osnabrücker Rundschau“. Zu haben war sie jeweils am Dienstag und am Freitag und kostete 20 Pfennige. Gerichtet war
die Neuerscheinung an immerhin 120.000 abnehmende Haushalte in Stadt und Umland. Zusätzlich sollte das Blatt sogar
auch in der Grafschaft Bentheim, in Meppen, Lingen, Aschendorf-Hümmling, Melle, Wittlage, Bersenbrück und auch
Tecklenburg zu haben sein.
Als erfahrenen, nicht durch NS-Vorgeschichte belasteten Verlagsleiter verpflichteten die Briten Archilles
Markowsky, der lange Jahre beim Berliner Ullstein-Verlag verbracht hatte und für dieses Haus zuletzt in Hamburg
tätig gewesen war. Die Journalisten-Runde, die Markowsky um sich herum versammelte, war politisch bunt und
vielfältig: Am Redaktionstisch versammelten sich der Konservative Karl Kühling neben dem damaligen Kommunisten
Josef Burgdorf (später ging er zurück in seine vormalige Partei SPD) bis hin zum Sozialdemokraten Hans Wunderlich.
Hinzu kam der legendäre Feuilletonist Bernhard Schulz. Über alle hat die virtuelle OR bereits in einer Serie
berichtet. Unterfolgenden Links sind die Beiträge noch nachzulesen:
- Folge Josef Burgdorf
- Folge Karl Kühling
- Folge Hans Wunderlich
- Folge Bernhard Schulz
Alle gelernten Zeitungsmacher legten trotzdem einträchtig los und präsentierten Weltnachrichten, Feuilleton,
Kommentare und „Buntes“, Lokalberichte, Sport, eine gesonderte Seite „Welt der Frau“ sowie die vielgelesenen
Anzeigen.
Streit um die Ausrichtung
Die Osnabrücker Rundschau konnte sich jedoch nicht kritiklos auf dem regionalen Markt etablieren. Vor allem aus
eher konservativen Landkreisgemeinden hagelte es viel Kritik an der inhaltlichen Ausrichtung. Zu wenig kämen, so
ein Kommentar, Belange der Landkreisbevölkerung zur Sprache. Aufsehen erregte offenbar auch die Kündigung des
Redakteurs Karl Kühling, der viele Jahre später NOZ-Lokalchef und städtischer Senator werden sollte. „Da ich“,
schrieb er in seinem Lebenslauf, „den Stil dieser Zeitung nicht für gut hielt und dem auch Ausdruck gab, wurde ich
nach wenigen Monaten fristlos entlassen.“ 1947 wechselte er zur Volkszeitung nach Celle, die der – deutlich rechts
von der CDU angesiedelten – Deutschen Partei nahestand. 1949 kehrte Kühling, der wie viele Parteifreunde zur CDU
fand, allerdings wieder dauerhaft nach Osnabrück zurück und wurde zusätzlich Autor zahlreicher stadtgeschichtlicher
Bücher.
Die Kritik an der Ausrichtung der Rundschau setzte sich auch in der Folgezeit immer heftiger fort. Konservativen
Kräften erschien das Blatt zu SPD-nahe. Überdies wuchs der Unwille an Zeitungen, die im Ruf standen, den
Besatzungsmächten hörig zu sein. Hinzu kam allerdings, dass auch den britischen Besatzern im niedersächsischen
Umland sehr daran gelegen war, dass es zeitgleich mit zahlreichen, landesweit vertriebenen SPD-nahen Blättern nun
vor allem solche mit konservativer Ausrichtung gab. Am Ende setzt sich dieses Bestreben durch, die Tage der ersten
„Osnabrücker Rundschau“ waren gezählt.
Bei den deutschen Akteuren triumphieren jetzt in Osnabrück die vorherigen Kritiker: Im September 1947 erschien als
Nachfolgezeitung das „Neue Tageblatt“. Das Entscheidende: Neben dem parteilosen Markowsky gesellten sich als neue
Lizenzträger zwei aktive Christdemokraten hinzu. Dies waren der zeitweise als Oberbürgermeister amtierende Dr.
Adolf Kreft sowie Dr. Josef Kannengießer. Die Umbesetzung hatte direkte Folgen für die Ausrichtung der Zeitung, die
fortan, später unter dem Namen „Neue Tagespost“, als CDU-nahes Blatt erschien. Redakteure wurde später auch der
bekennende CDU-Mann Karl Kühling sowie, der allerdings keineswegs so konservativ wie die Blatt-Linie, Bernhard
Schulz
Bernhard Schulz OR 1946
Von der Osnabrücker zur Nordwestdeutschen Rundschau
Eine in Osnabrück gelesene „Rundschau“ gab es allerdings weiter: Hans Wunderlich war mittlerweile seit April 1947
Redakteur der in Wilhelmshaven produzierten „Nordwestdeutschen Rundschau“ geworden. Die war eindeutig
sozialdemokratisch ausgerichtet und wartete in Osnabrück mit eigenen Lokalnachrichten auf. Bis in das Jahr 1949
hinein, als – mit Hans Wunderlichs Hilfe als Mitglied des Parlamentarischen Rates – das Grundgesetz beschlossen und
verkündet wurde, begegneten Osnabrücker Leser:innen in begrenzter Weise wieder einer parteipolitischen
Zeitungslandschaft, die sie noch aus Weimarer Zeiten kannten. Dass Blätter aus der NS-Tradition fehlten,
verwunderte natürlich niemanden. Erneut glaubten Verkäufer oder Zusteller, die politische Ausrichtung der
jeweiligen Zeitungskäufer zu erkennen: Lasen sie die „rote“ Nordwestdeutsche Rundschau“ oder lieber das „schwarze“
Neue Tageblatt?
Hans Wunderlich wiederum war es, der nach seiner gescheiterten Bundestags-Kandidatur 1949 einem Ruf nach Dortmund
folgte und dort später zum Chefredakteur einer anderen „Rundschau“, der Westfälischen Rundschau, avancierte.
Bis Ende 1967, dem Gründungsjahr der Neuen Osnabrücker Zeitung als Fusion des Tageblatts mit der Neuen Tagespost,
sollte die „Freie Presse“ das sozialdemokratische Alternativangebot abgeben. Als sie, die im letzten Halbjahr mit
dem Titel „Osnabrücker Presse“ erschien, eingestellt wurde, war der Weg zur allein und konkurrenzlos angebotenen
„NOZ“ bis heute geebnet.
„OR“ in den 80er und 90er Jahren
Einer völlig anderen Zeit entsprang Jahrzehnte später der neue Versuch, in der Hasestadt eine „Osnabrücker
Rundschau“ zu etablieren. Es waren erneut Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die seit 1981 in der
Rats-Opposition gegen eine relativ kompromisslos „durchregierende“ CDU-FDP-Mehrheit standen und händeringend nach
einem Medium suchten, das gesellschaftskritischen, sozialen und ökologischen Inhalten mehr Raum als die örtliche
Monopolpresse bot.
Auf diese Weise erblickte im September 1987 die zumeist vierteljährlich erscheinende, von ehrenamtlichen Helfern
flächendeckend mit einer Auflage von 55.000 Exemplaren verteilte Osnabrücker Rundschau das Licht der lesenden
Welt.
„Wir wollen eine Alternative bieten zu den bestehenden Zeitungen in Osnabrück. (…) Bürger, Gruppen und
Initiativen mit ihren Problemen, Anliegen und Meinungen sollen zu Wort kommen. Wir möchten (…) mit Ihnen in einen
Meinungsaustausch eintreten. Wir hoffen auf Ihren Widerspruch oder Ihre Zustimmung, auf Ihre kritische Anmerkung
oder Ihren Leserbrief“, hieß es in der Spalte „Wir über uns“. In den folgenden Jahren machen die
Zeitungsmacherinnen und -macher von diesem Angebot sehr reichhaltig Gebrauch.
Bis 1996 erschienen immerhin 36 Nummern des kostenlosen, unbeirrt rein ehrenamtlich erstellten und ebenso
verteilten Blattes. Ob es am Ende doch der Verzicht auf eine professionellere Struktur war? Irgendwann erlahmten
die Kräfte der ehrenamtlich schreibenden, fotografierenden, layoutenden und verteilenden Hände. Aber Geschichte
währt bekanntlich ewig und nichts muss ja für alle Zeiten endgültig sein.
Aktuelles Resümee
Die virtuelle OR – als per Internet aufrufbare Tageszeitung – ist mit Ablauf des Jahres 2022 volle zwei Jahre lang
erschienen – fabriziert von einer professionellen, aber rein ehrenamtlich tätigen Redaktion. Freund:innen des
Kopfrechnens kommen damit bis zum heutigen Tag auf 789 einzelne Ausgaben mit über 10.000 Beiträgen – besondere
Schlaumeier:innen begreifen nicht, dass wir im Vierteljahresrhythmus alle alten PMs komplett löschen, weil
aufwändige Recherchen ergeben haben, dass es unsere Leser:innenschaft nicht im Geringsten interessiert, ob vor vier
Monaten eine Baustelle aufgelöst oder eine Veranstaltung am 30. November 2022 stattfinden wird. Um Serverplatz zu
sparen, behalten wir nur unsere eigenen Artikel und selbst von denen werden aktuell völlig irrelevante Beiträge
gelöscht. Derzeit liegen 1.613 Artikel auf unserem Server, also käme man mittels Milchjungenrechnung seit
Neugründung am 1.1.2021 auf zwei Artikel am Tag. Klar doch …
Bereits jetzt ist die moderne OR damit die allergrößte aller drei Varianten, die seit 1946 erschienen sind. Die
Webseite der heutigen OR wird täglich über 25.000 mal aufgerufen … Moment! Im Januar dieses Jahres war das fast
30.000 mal am Tag …
Gerne doch.
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