Trost, wenn die Nebel fallen
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Das Licht ist Trost. . Das Licht der
Bogenlampen .im Park und die wechselnden
roten und grünen Signale des Straßenverkehrs. Durch die Dunkelheit tasten die Scheinwerfer der Kraftwagen; die
Scheibenwischer pendeln gehorsam gegen den nieselnden Regen. Die gelben Pedale der Radfahrer, die rhythmisch
auf- und niedersteigen. Das Neonlicht in einem Blumenladen. Chrysanthemen und Orchideen blühen hinter der
Scheibe. Übermorgen hat Simone Geburtstag.
Die Schaufenster sind Trost. Die großen
Glaspassagen der Modehäuser und Schuhläden, in denen sich ein Rest von Heizungswärme und Obstgeruch versteckt
hält. Ach, du wirst dir in diesem Winter keinen neuen Mantel kaufen können. Ein paar Schritte weiter hat ein
Feinkosthaus ein Schaufenster eingerichtet. Wein aus Sizilien und Ananas aus Hawai. Hummer aus der Nordsee. Schokolade aus der
Schweiz. Whisky aus Schottland. Ein Hechtmaul beißt in eine Zitrone. Fasanen hängen an der
Stange.
Die menschliche Stimme ist Trost. Ein Mann mit
einer Taschenlampe sucht nach der Hausnummer 27 A. Vielleicht ist er Arzt, und jemand liegt dort oben und
stirbt. Das Gesicht eines Mädchens weht vorbei. Dir fällt ein, daß du einen Brief schreiben mußt. Leuchtschrift:
Abendkurse in Stenographie und Schreibmaschine. Lernt Spanisch. Besucht das Stadttheater. Der rote Korsar. Fünf
Tage nach Paris. Auskunft hier. Weihnachten in Rom. Mit dem Clipper nach Afrika.
Die Wärme ist Trost. Dunst, der aus dem
Kellerschacht einer Spéisewirtschaft steigt. Wärme, die aus der Pendeltüre eines Cafés
dringt. Der fettige Brodem einer Wurstbratstube. Fleischbrühe, Fleischbrühe, Fleischbrühe.
Süßlicher Anhauch aus einer Tüte voll frisch gerösteter Mandeln. Herdfeuer in Küchen mit Waschwochenkalender und
Milchsuppengeruch.
Gespräche sind Trost. Ein Gespräch mit Freunden
über den Sommer in Frankreich. Gesprächsfetzen in Wartezimmern und Kneipen, in Straßenbahnen und Omnibussen.
Frau Meier ist gestern bei ihrer Tochter zu Besuch gewesen; der Schwiegersohn hat einen guten Posten bei der
Stadtverwaltung. Ein Mädchen flüstert ihrem Verlobten den Inhalt eines Films zu. Dämmerstunde in einer Wohnstube
mit Ofenlicht auf dem, Fußboden., Das Radio bringt eine Sonate von, Haydn, Eine Teetasse zwischen den klammen
Händen, Glut einer Tabakspfeife. Ein Landwirt erzählt Jagdgeschichten.
Der Regen ist Trost.- Regen, der auf Autodächer
und Zeltplanen trommelt. Regen, der den Asphalt näßt und die Bäume weinen macht. Bindfadenregen über kleinen
Gärten. In einer Laube am Stadtrand stehen und den Fernischnellzug dahinglitzern sehen. Es ist, genau 20.17
Uhr.
Der Schrei einer Krähe ist Trost, die Blockflöte
einer Schülerin, das Weinen eines Kindes, der Ruf des Zeitungsverkäufers, die Geräusche eines Motors, das Summen
des Wasserkessels, der Wind im Kamin, der Schritt einer Frau auf dem Bürgersteig, der Pfiff eines Liebhabers,
Orgelmusik aus einer erleuchteten Kirche, das Geklirr von Kegelhölzern, das Ticken der Standuhr auf der Diele,
das Telephon, die Türklingel, die Rathausuhr.
Dies alles ist Trost.
Erschienen: am 30/10.54
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