In eigener Sache
Als ich Soldat war, las ich in der Frontzeitung, dass es einen
Admiral Otto Schulz gab. Dieser Admiral hatte etwas gesagt oder getan, was die Frontzeitung für wichtig genug
hielt, um mitgeteilt zu werden. Bis zu dieser Stunde waren alle Zeitgenossen, die Schulz hießen, in meinen
Augen eine graue, bedeutungslose Masse, aus der nicht ein einziger sein Haupt so hoch erhob, dass es zu sehen
war. Ich erwog den Gedanken, diesem Admiral Otto Schulz einen
Feldpostbrief zu schreiben und ihm anzuvertrauen, dass ich keine Lust mehr hätte, bei 50 Grad unter Null mit
einem Maschinengewehr im Osten rumzulaufen und auf die Russen zu schießen und ob er nicht dafür eintreten
könnte, mich auf einer Schreibstube zu beschäftigen, wo es nach Möglichkeit warm und gemütlich sein
sollte. Meine Vorstellung war die, dass Soldaten mit dem Namen Schulz
zusammenhalten müssten und ein Schulz, der es bis zum Admiral gebracht hatte, verpflichtet sei, für die
gemeinen Namensvettern etwas zu tun. Aber bevor ich Zeit gefunden hatte, den Brief zu schreiben, war der Admiral
mit seinem Schiff untergegangen, und ich stand wieder allein da. Außer
meinem eigenen Vater, der Kassierer bei einer Bank war und niemals dazu kam, mit dem Geld, das ihn anvertraut
wurde, durchzubrennen, kannte ich keinen Schulz, mit dem ich hätte angeben können. Das ist nun in jüngster Zeit besser geworden. Die Schulz sind im Kommen, ja, es gibt
regelrechte Senkrechtstarter unter ihnen. In Amerika zum Beispiel heißt der Finanzminister Schulz. Seine
Vorfahren haben in Hinterpommer Kartoffeln angebaut, und als sie einsahen, dass Kartoffeln so recht nichts
einbringen, wanderten sie in das Land der damals unbegrenzten Möglichkeiten aus, und siehe da, einer von ihnen
hat heute das Vermögen dieses Landes unter sich. Dieser Schulz - er schreibt sich Shultz - wäre ein Mann, an den
man sich wegen eines zinslosen Darlehens wenden könnte. Populärer als
der Finanzminister ist in Amerika Charles M. Schulz, ein Künstler, der mit Comicstrips und Zeichentrickfilmen
Welterfolg hat. Dieser Schulz hat Figuren geschaffen, die dazu herhalten müssen, nationale Schwächen und
Eigenheiten sanft zu verspotten. Seine Type Charlie Brown hat sogar einem Raumschiff, das zum Mond flog, den
Namen gegeben, und eine größere Ehre ist doch wohl kaum denkbar. Selbst in Deutschland, dem Ursprungsland aller Menschen, die Schulz heißen, geht es mit
denselben voran. Nürnbergs Erster Bürgermeister heißt Schulz, er durfte in dieser Eigenschaft Mireille Mathieu
küssen, was fast schon ausreicht, um berühmt zu sein. Neben einem Schulz, der in der Führung der Gewerkschaften
eine Rolle spielt, erwarb der Verleger Schulz in Percha am Starnberger See
Ansehen mit Werken der zeitgenössischen Memoirenliteratur. Auf einen
Namensvetter bin ich besonders stolz. Er war Gefreiter der ehemaligen Deutschen Wehrmacht. Dieser Gefreite Josef
Schulz hat sich am 19. Juli 1941 geweigert, angebliche jugoslawische Partisanen zu töten, er trat auf die Seite
der Verurteilten und ließ sich aus Protest zusammen mit jenen Männern erschießen. Das Andenken an diese mutige
Tat hält in der Bundeshauptstadt Bonn die "Gefreiter-Schulz-Straße" wach. Meine Mutter, eine geborene Meier, die sich damit abfinden musste, dass sie als Frau Schulz
auch nicht bedeutender aussah, pflegte zu sagen: "Wissen Sie was? Ich erwarte keine außergewöhnlichen
Leistungen von meinem Sohn, Ich bin schon zufrieden, wenn er nicht kriminell wird," es ist wahr. Noch hat die Polizei meine Fingerabdrücke nicht. Noch bin ich als
Flugzeugentführer, Geiselnehmer und Erpresser nicht hervorgetreten. Hätte ich sonst den Mund zu diesem Bericht
in eigener Sache aufgetan?
Schwabingpress,
02.1973
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