Das Haus Hamm
HAUS HAMM
Eichenhofstraße 10
"In diesem Haus wurde ich am 22. April 1913 geboren" (Bernhard Schulz)
In der Reihe der stattlichen Gebäude in der Eichenhofstraße soll das Haus Nr. 10 hier besonders
beschrieben werden, weil es in seiner Geschichte privaten und öffentlichen Zwecken gedient hat.
Das repräsentative Gebäude ist ein Fachwerkhaus im Bergischen Stil mit Erd- und Obergeschoss, mit ausgebautem
Dachgeschoss und Satteldach. Die Frontseite zur Straße und die Giebelseite nach Westen sind verschiefert worden.
Die Giebelseite nach Osten zeigt noch das ursprüngliche Fachwerk. Die Rückseite und die ausgebauten Nebengebäude
sind alle verputzt. Wie einige andere Häuser in dieser Straße ist auch das Haus Flamm in der Mitte des 19.
Jahrhunderts errichtet worden. Der Bauherr des Gebäudes ist, soweit die bisherigen Ermittlungen ergeben haben,
der Arzt Dr. med. Ferdinand Hubert Stockhausen.
Er war am 1. März 1813 in Siegburg geboren. Seine Eltern waren Franz Josef Stockhausen und Margarete geborene
Maurer. Er war verheiratet mit Maria Steinheuer. Seit 1842 war er als Praktischer Arzt und Wundarzt zugelassen. Ein
Jahr später erhielt er die Approbation als Geburtshelfer.
Dr. Stockhausen konnte allerdings nur zwei Jahrzehnte für die Gesundheit seiner Mitbürger in Lindlar wirken, da er
bereits am 24. September 1867 hier verstorben ist.
Nach dem frühen Tod des Dr. Stockhausen erwarb der Arzt Dr. med. Johannes Konrad Müller das Haus von den Erben.
Dr. Müller war geboren am 5. November 1835 in Berghausen bei Thier und hat am 5. Juli 1865 die im Jahre 1842
geborene Theresia Christine Emilie Höller aus Schlüsselberg bei Lindlar geheiratet. In dem Elternhaus seiner Frau
hat er zunächst seine Praxis als Arzt für All-gemein-Medizin ausgeübt. Nach dem Kauf des Hauses hat er seine
Wohnung und auch seine Praxis in das geräumige Haus in der Eichenhofstraße verlegt, in dem auch der Vorbesitzer
seine Praxis ausgeübt hat.
Dr. med. Johannes Müller war ein großer breitschultriger Mann mit einem kräftigen Wuchs und
später einem üppigen Vollbart. Entsprechend seiner Erziehung auf dem elterlichen Bauernhof und seiner äußeren
Statur handelte er stets nach dem Grundsatz: „Tue Recht und scheue niemand". Er ging, wie er selbst sagte:
„strackfott singen Wech" (Gradeaus seinen Weg). Dabei zeichneten ihn Mutterwitz, Lebenshumor und die Liebe zur
Heimat und zur Lindlarer Mundart besonders als Original aus.
Auch in seinem Beruf war er als Allgemein-Mediziner in der engeren und weiteren Umgebung anerkannt und sehr
angesehen. So wurde er als Kreisphysikus im Kreis Wipperfürth bestellt und später mit dem Ehrentitel Sanitätsrat
ausgezeichnet. Unter diesem Titel ist er auch in die Lindlarer Geschichte eingegangen. Eine Patientin des
Sanitätsrats, die an einer krebsartigen Krankheit litt und von ihm geheilt worden ist, hat sogar ihrem Arzt im
Wipperfürther Kreis-Intelligenzblatt vom 12. November 1867 öffentlich gedankt.
Viele Lebensäußerungen des Sanitätsrats und Anekdoten über ihn sind noch bekannt und in Heimatbüchern überliefert.
Hier sollen nur zwei Vorgänge erwähnt werden, die charakteristisch für die Lebensart des Rates waren.
So ging er eines Tages mit einem Bekannten bei starkem Regen über die Hauptstraße, als sein Begleiter ihn besorgt
darauf aufmerksam machte, dass es ihm auf den „bläcken Kopp" (nackten Kopf) regne. Darauf bekam dieser die
selbstverständliche Antwort: „Et rähnt Dir jo ooch en et bläcke Gesichte". (Es regnet Dir ja auch in das nackte
Gesicht).
Und nun noch die Rechnung ohne Gebührenordnung: Als geschulter und bewährter Geburtshelfer hatte der Sanitätsrat
einer werdenden Mutter beigestanden, die den neuen Erdenbürger glücklich und gesund auf die Welt brachte.
Nachdem alles gut überstanden war, verabschiedete sich der Rat, und der glückliche Vater fragte nach seiner
Schuldigkeit. Der Rat überlegte nicht lange und meinte ganz trocken: „Jüvv mr ald ens 25 Daler". (Gib mir schon mal
25 Taler). Der Vater bezahlte diesen Betrag auch sogleich. Nach einiger Zeit hatte sich in der gleichen Familie
wieder Zuwachs angemeldet. Die werdende Mutter wollte wiederum den Herrn Dr. Müller haben, weil er so gut geholfen
hatte. Dem widersprach der Vater aber, der Dr. Müller wäre ihm zu teuer. Doch die Mutter setzte sich durch, und der
Rat kam wieder ins Haus. Auch bei diesem Kind ging alles gut, und auf die bange und vorsichtige Frage des Vaters
an den Arzt nach seiner Schuldigkeit, antwortete dieser: „Jüvv mr ald 5 Daler". (Gib mir schon 5 Taler). Der
Hausherr war ob dieser Forderung und Antwort sehr erstaunt und meinte in seiner Überraschung: „Herr Doktor, haben
Sie sich heute oder damals nicht vertan, da Sie doch voriges Mal 25 Taler genommen haben?" Kurz und bündig
antwortete der Doktor, für den es damals noch keine ärztliche Gebührenordnung gab: „Oh nee, domols hatte ech datt
Jeld jrad jut zu bruchen". (Oh nein, damals hatte ich das Geld gut zu brauchen).
Am 9. Juni 1909 ist der Sanitätsrat Dr. med. Johannes Müller, der sich um die Gesundheit seiner Mitbürger sehr
verdient gemacht hat, in Berg. Gladbach gestorben und auf dem Lindlarer Friedhof beerdigt worden.
Nach dessen Tod erwarb die Gemeinde Lindlar das Gebäude und richtete dort sogleich die notwendigen
Geschäftsräume für die Gemeindesparkasse und die Wohnung für den neu gewählten Kassenrendanten Emil Schulz ein.
Trotz der später erfolgten Vereinigung mit überörtlichen Kassenverbänden und der Eingliederung in den Zweckverband
Kreissparkasse Köln, Rheinisch-Bergischer Kreis und Bergheim als Zweigstelle Lindlar, blieben die Geschäftsräume
in dem Haus Eichenhofstraße 10. Rendant Emil Schulz wurde 1938 von dem Zweigstellenleiter Richard Winters
abgelöst. Richard Winters schied am 12. April 1953 aus dem Dienst aus; er blieb aber in der Dienstwohnung bis zum
Januar 1955. Der neue Zweigstellenleiter Franz Schneider aus Bensberg, der seinen Dienst sogleich nach
dem Ausscheiden von Richard Winters im April 1953 angetreten hatte, konnte daher erst im Januar 1955 in die
Dienstwohnung einziehen.
Der Anstieg des Geschäftsanfalles und der stetig gewachsene Kundenkreis der Sparkasse zwangen Anfang der sechziger
Jahre die Leitung der Kreissparkasse zu der Überlegung, neue und größere Geschäfts- und Kassenräume zu erstellen,
die den gewachsenen Ansprüchen und Erfordernissen der modernen Bankgeschäfte gerecht wurden. In dieser Situation
bot sich ihr der Ankauf des gegenüberliegenden alten Bauernhofes Hamm, Eichenhofstraße 13, an.
Dieser Bauernhof, der wegen der vielen dort stehenden Eichen auch Eichenhof genannt wurde, war einer der ältesten
Höfe in Lindlar. Das alte bergische Geschlecht Hamm, das seinen Namen vom Hof Hammen bei Lindlar ableitete, war
schon im 17. Jahrhundert hier ansässig. So betrieb Johann Peter Hamm (geb. 1709, gest. 1792) eine große
Landwirtschaft auf dem Eichenhof, seinem Eigentum, und war gleichzeitig Schatzbott des Amtes Steinbach. Im Jahre
1777 hat er an der Stelle des alten Hauses ein stattliches Wohnhaus mit Stallungen und Nebengebäuden errichtet.
So haben sechs Generationen als bergische Bauern auf dem Eichenhof gearbeitet und den Hof zu einem der
bekanntesten und ansehnlichsten Bauernhöfe in und um Lindlar gemacht. Aus der Familie Hamm sind aber auch mehrere
Priester, Notare, Richter und Fabrikbesitzer hervorgegangen.
Der vorletzte Gutserbe war Viktor Hamm, der nach dem Tode seines Vaters Otto Hamm im Jahre 1938 den Hof als Erbe
übernahm. Bedingt durch die schwierigen Kriegs- und Nachkriegsjahre konnte die Landwirtschaft nicht in dem
bisherigen Umfang von Viktor Hamm betrieben werden. Deshalb unterstützte er auch seinen Sohn Bernhard, der in den
fünfziger Jahren im Norden von Lindlar „auf dem Sandbuckel" und „Am Steinkäulchen" ein neues Wohnhaus
errichtete.
Schließlich übertrug der Vater Viktor Hamm das Eigentum an seinem Eichenhof in dem notariellen Vertrag vom 6.
September 1957 im Wege des Tausches an seinen Sohn Bernhard Otto Johannes, der in dem gleichen Vertrag das Eigentum
an seinem Grundstück auf seinen Vater Viktor übertrug.
So war nunmehr Bernhard Hamm der Besitzer des Eichenhofes in der siebten Generation. Bernhard Hamm ist geboren am
1. Oktober 1934 und seit dem 27. April 1984 mit der am 7. Januar 1955 geborenen Brunhilde geborene Meckbach
verheiratet. Sie haben eine Tochter Sandra.
Bernhard Hamm blieb aber nur wenige Jahre Besitzer des alten Eichenhofes, der seit mehr als zwei Jahrhunderten im
Besitz der Familie Hamm gewesen war.
Die Kreissparkasse bot nämlich 1960 dem Bernhard Hamm das Haus Eichenhofstraße 10 im Tausch gegen seinen Bauernhof
Eichenhofstraße 13 an. Diese Verhandlungen führten auch zum Erfolg.
So übertrug der Kaufmann Bernhard Hamm genannt Bernd das Eigentum an seinem Bauernhof Eichenhofstraße 13 an die
Kreissparkasse der Landkreise Köln, Rheinisch-Bergischer Kreis und Bergheim in Köln im Wege des Austausches in dem
notariellen Vertrag vom 8. Oktober 1961, in dem gleichzeitig die Kreissparkasse das Eigentum an dem Haus
Eichenhofstraße 10 an Bernhard Hamm übertrug.
Schon 1961 begann die Kreissparkasse mit dem Abbruch des alten Bauernhofes und konnte schon am 18. November 1963
das neue Geschäftshaus der Kreissparkasse Köln, Zweigstelle Lindlar, eröffnen.
Während der Bauzeit mußte die Familie des Zweigstellenleiters Franz Schneider die Wohnung im alten Dienstgebäude
räumen, um der Familie Hamm Platz zu machen.
So konnte die Familie Bernhard Hamm schon im November 1961 in das neue Heim einziehen. Viele Arbeitsstunden hat
dann in der Folgezeit die Familie Hamm in Eigenleistung für die Ausbesserung und Umgestaltung der Innenräume und
auch für die Außengestaltung aufgewandt.
So stellt sich nunmehr das Haus Eichenhofstraße 10 zwischen Post und Kreissparkasse als ein stattliches Gebäude in
typischem Bergischen Baustil dar.
Aus "Gebäude und Straßen in Lindlar" von Dr. Josef Gronewald 1996
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