58 Jahre Till
Jeden Tag oben links 58 Jahre und kein bisschen gealtert
OSNABRÜCK. Gestatten, Till ist mein Name, ich bin 58
Jahre alt und habe mich äußerlich seit meiner Schöpfung kein bisschen
verändert. Dass Sie mich mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung" fast täglich zu sich
ins Haus lassen, ist für mich ein großer Vertrauensbeweis. Seit 40 Jahren habe
ich in der Zeitung einen festen Platz: oben links auf der ersten Lokalseite mit den Berichten aus Osnabrück.
Dort halte ich Wacht seit dem 2. Januar 1963. Was Sie vielleicht nicht wissen: Ich habe mehrere Gesichter. Ich kann
gütig lächeln, zornig die Stirn in Falten legen, amüsiert einen Brief lesen,
traurig meine Tränen trocknen. Nur zwei Dinge sind immer dabei: Der Schirm und die Pfeife. Sie
merken, ich entstammte einer Zeit, als Raucher noch nicht auf der Liste der
verfolgten Arten standen. Der große Krieg war erst vier Jahre vorbei, als der Journalist und Schriftsteller
Bernhard Schulz (Jahrgang 1913) mich ersann. Er war nach der Kriegsgefangenschaft
aufVermittlung eines Kameraden nach Osnabrück gekommen und schrieb für die
..Neue Tagespost". Meinen Namen Till leitete er, was liegt näher, von Till
Eulenspiegel ab. Meine Rolle war damit klar: Ich bin der Hofnarr, dem es
erlaubt ist, offen die Wahrheit zu sagen, ohne bestraft zu werden. Mein Erfinder wechselte später
ins Feuilleton, ich aber blieb in der Lokalredaktion. Gustav Lübbe ja, der spätere Buchverleger, Helmut
Thieves und Rudolf Schachtebeck liehen mir ihre
Stimmen. Ein ganz wichtiger Tag ist für mich der 2. Januar 1963. Von diesem Tag an
hatte ich meine tägliche Kolumne oben links auf der ersten Lokalseite des Tageblatts. Und an
diesem Tage bekam ich auch ein Gesicht: Ich bin stolz und glücklich sagen zu können, dass mich der große
Karikaturist Fritz Wolf höchstpersönlich gezeichnet hat. Wer kann das schon von sich
sagen? Schön war die Episode, als ich einen Kollegen hatte. Willibald vom
„Osnabrücker Tageblatt". Als unsere Zeitungen sich zur „Neuen Osnabrücker Zeitung"
zusammenschlossen, wechselten wir uns ab. Hans Wolfgang Kindervater schrieb den
Willibald, und Rudolf Schachtebeck ließ mich Geschichten erzählen. Wenn Sie fragen, wer sich heute hinter
Till verbirgt, antwortet das Team der Lokalredaktion: Wir sind alle ein bisschen
Till.
Das sind Tills Freunde im Osnabrücker Land, im Emsland und in
Westfalen
Till
ist in guter Gesellschaft. Was er für Osnabrück, ist der Tuchmacher für Bramsche, der Kiepenkerl für Lotte
oder Else für Melle. Sie sind die Titelfiguren der Lokalspitzen in den Bezirksausgaben der Neuen OZ. Klar,
dass in der Tuchmacherstadt Bramsche ein Mann dieses Gewerbes die kleinen Geschichten des Alltags
ausrollt. Der Kiepenkerl brachte früher Frücht des Feldes zum Verkauf in die Stadt, heute bringt er
Nachrichten für Lotte und Westerkappeln. Dass die Else die Frontfrau des Meiler Kreisblattes wurde, hat
eine eigenen Geschichte. Else hieß das Mädchen, das der Sage nach vom bösen Vater ihres Geliebten im
Meiler Fluss ertränkt worden ist. Deshalb trägt das Gewässer ihren Namen.
Außerdem trägt die Namensgebung der Tatsache Rechnung, dass in der Melier
Redaktion mehr Frauen als Männer arbeiten. Per pedes ist Tills Kollege in Quakenbrück, der für das
Bersenbrücker Kreisblatt schnellen Schrittes das Artland durchstreift. Pitt ist der
Bodenständige in der Runde. Er lebt in Bad Essen und verfolgt gelassen und bauernschlau das Geschehen des
Tages. Willem tourt durch die Kreisstadt Meppen im Emsland und schnappt seine
Geschichten schon beim Zeitungaustragen auf. Rieke, die Ziege, erlaubt sich, in Lingen laut zu meckern. Und
als Wühler hat sich Maulwurf Hermann in Papenburg (EmsZeitung) einen Namen gemacht. Ihm entgeht nichts,
obwohl oder weil er im Untergrund arbeitet.
Nur einmal sind Till und Willibald gemeinsam aufgetreten. In der ersten Ausgabe der
Neuen OZ vom 2. Oktober 1967 teilten sie sich die Lokalspitze. Hier Auszüge:
„Wie seit 14 Jahren werden wir an dieser Stelle heiße Eisen anfassen und wenn es sein muss mit der
Faust auf den Tischschlagen. Wir werden die Dinge ungeschminkt beim Namen nennen, auch wenn es
diesem oder jenem unangenehm ist. Jetzt sind wir zwei Männer, die für diese Spalte täglich
unterwegs sein werden: Till und Willibald. Ich habe mich auf diese gemeinsame Arbeit gefreut."
Willibald
„Till kratzt sich den Kopf. Wird er auch in und mit der neuen Zeitung Freunde gewinnen? Till hofft
das sehr. An ihm soll's nicht liegen. Er verspricht, seine Feder spitz zu halten und Missstände
aufzuspießen, wo immer sie sich zeigen. Till hat keine Angst vor Oberbürgermeisterthronen und
Amtsschimmeln. Er möchte die Anliegen und Sorgen seiner Leser ungeschminkt weitergeben. Er möchte
Ratgeber sein, und wird ein offenes Ohr für seine Leser haben."
So war es, so ist es und so wird es bleiben. Bis morgen
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