Bernhard Schulz - ein Meister der literarischen Miniatur
"Es ist das Besondere an diesem Autor, dass er im Alltäglichen das Nichtalltägliche, im
Absonderlichen das Liebenswürdige aufzuspüren versteht, dass er es mit einem stillen Lächeln erzählt und dass durch
das Lächeln gelegentlich eine heimliche Träne schimmert."
Neue Osnabrücker Zeitung
Neben einem Professor der Musik (s. Kapellen-Nachrichten Nr.
9) haben wir auch einen bekannten Osnabrücker Schriftsteller im Kapellenverein: Bernhard Schulz.
Bernhard Schulz, Autor von rund zwanzig Büchern und ungezählten Kurzgeschichten, wurde 1913 in Lindlar im
Bergischen Land geboren. Seinen ersten Roman veröffentlichte er bereits im Alter von 22 Jahren. In Berlin und
Hannover arbeitete er als Redakteur und nach dem Kriege seit 1945 in Osnabrück, der Heimat seiner Eltern.
Zunächst schrieb er für das «Neue Tageblatt», welche Zeitung einige Jahre später in «Neue Tagespost» umbenannt
wurde. Seine Beiträge zeichnete Bernhard Schulz mit dem Kürzel bezet, was einer Qualitätsmarke gleichkam. In der
Folge betreute er das Feuilleton der «Neuen Tagespost». Seine Seiten waren so etwas wie Feuilleton-Klassik. Sie
atmeten mit Kurzgeschichten und Bebilderung Ruhe und Beschaulichkeit. Die Fotos — in der Regel von Kurt Löckmann —
und die Zeichnungen von Gerhard Sperling brachten dem Leser die Schönheiten des Osnabrücker Landes nahe.
Ich lernte Bernhard Schulz Anfang der Fünfzigerjahre als Setzerstift in der Zeitungsdruckerei kennen und habe ihn
als einen Herrn von gediegener Vornehmheit in Erinnerung, dem ein launiger Humor nicht fehlte. Einen Setzer/Metteur
namens König, der seine Seiten zusammenstellte oder umbrach, wie es im Fachjargon heißt, sprach er stets mit
«Majestät» an ... Jahre und Jahrzehnte gingen dahin. Wenige Jahre nach der Schriftsetzerlehre verließ ich Osnabrück
und lebe seither in der Schweiz. Im Herbst 1991-32 Jahre danach — gab es ein Wiedersehen mit Bernhard Schulz
auf der Großen Straße in Osnabrück. Er hatte sich kaum verändert. Ich sprach ihn an und grüßte ihn; natürlich
konnte er sich an den Stift von ehedem nicht mehr erinnern, der damals einer von vielen war.
Aus dem Gespräch auf der Großen Straße ergab sich, um dieses fortzusetzen, eine Einladung nach Biel. Und so hatte
ich die Ehre des Besuches von Bernhard Schulz und seiner Frau Gerda.
Damals liefen gerade die Vorbereitungen für den Bau der Siebenschmerzenkapelle, und der Kapellenverein war noch
nicht ein Jahr alt. Der geplante Kapellenbau sprach das Ehepaar Schulz an, und so schrieben sie sich als Mitglieder
des Vereins ein.
Es wäre vermessen, die Werke von Bernhard Schulz in ein paar Zeilen würdigen zu wollen. Es sollen nur einige Titel
genannt sein, welche in den letzten Jahren erschienen sind: «Poesie der Feldwege», «Damals», «Ruprecht mit dem
Holzbein», «Nachmittag mit langsamer Erwärmung»; zudem ist er mit einem Beitrag in dem ansprechenden Bändchen «10
himmlische Geschichten für Engel» mit dem Titel «Brotausgabe 18 Uhr» neben Autoren wie Oscar Wilde, Selma Lagerlöf
oder Maxim Gorki vertreten. Ältere Titel lauten: «Abend mit Zimtsternen», «Damals auf dem Dorf», «Mister Walross
oder die Lust, Gutes zu tun».
Bernhard Schulz wird als Schriftsteller der kleinen Leute apostrophiert. Mit gutmütiger Ironie und hintergründigem
Humor beleuchtet er in seinen Geschichten das Menschlich-allzu-Menschliche der Zeitgenossen. Ohne falsche
Sentimentalität lässt er vergangene Zeiten, die in ihm noch manifest sind, aufleben. Vieles aus «der guten alten
Zeit» (die es freilich nie gegeben hat) ist dank seiner Beobachtungsgabe festgehalten, wofür die Nachwelt dankbar
sein kann...
F.J. Gösmann
Zur Abrundung dieser Würdigung hier noch eine Kostprobe aus Bernhard Schulz' Feder mit dem Titel
Die schönen Männer
Gibt es in Deutschland schöne Männer? Ja, es gibt schöne Männer, aber sie sind in der Hauptsache
beim Fernsehen und beim Film angestellt, und einige werden im Operettenfach beschäftigt. Auf der Straße bekommen
wir sie selten zu Gesicht. Wer schöne Männer sehen will, muss sich in südländischen Gefilden umtun. In Italien zum
Beispiel ist jeder Kellner so schön wie bei uns der Förster vom Silberwald.
In Italien herrscht an schönen Männern kein Mangel. Sie schreiten als Postboten verkleidet durch die engen Gassen,
lochen Fahrkarten oder fassen beim Obsthandel zu. Diese schönen, in südlicher Sonne gebräunten Männer sind immer zu
Scherzen aufgelegt. Sie sind so heiter, wie unsereiner nicht einmal an seinem Geburtstag heiter ist, obwohl
Geburtstage zum Frohsinn Anlass geben.
Ich bewundere an diesen schönen Männern am meisten, dass sie mit ihrem Schicksal zufrieden sind und auf gar keinen
Fall zum Fernsehen wollen. Sie sind auf eine unkomplizierte Weise glücklich.
Woran liegt es nun, dass die südländischen Männer so schön wirken? Sind es ihre schwarzen lockigen Haare, die
dunklen mandelförmigen Augen oder das ewige Tralala auf den Lippen? Ist es ihre Art zu schreiten, Netze
auszuwerfen, Orangen abzuwiegen und Reklamezettel zu verteilen?
Jedenfalls hinterlässttt ihre O-sole-mio-Heiterkeit bei allen Damen, die mit diesen Kerlen nicht verheiratet sind,
tiefen Eindruck. Unsere deutschen Damen stellen nämlich Vergleiche an. Sie verlangen, dass auch unser Haar schwarz
und unsere Haut braungetönt sei. Außerdem sollen wir Gitarre spielen lernen und uns Vokabeln einprägen, amore zum
Beispiel, grandioso, bene und so fort. Amore heißt Liebe, und fast alle anderen Vokabeln drehen sich ebenfalls um
Liebe.
Von Fettleibigkeit, Konjunkturdepressionen und schlimmeren Beschwernissen, mit denen wir deutschen Männer zu tun
haben, wissen diese Burschen nichts. Mit Problemen geben sie sich nicht ab. Aber in amore, da kennen sie sich aus.
Weiß der Himmel, unsereiner kann noch so blond und trutzig tun — in Italien hat er verloren.
Aus meinem Bekanntenkreis hat jüngst das unverheiratete Fräulein Helga Urlaub in Amalfi gemacht. Dort lernte Helga
einen Kellner kennen, einen gewissen Leonardo Caleidoscopio, der jetzt an das deutsche Fräulein Karten sendet. Ich
muss zugeben, dieser Leonardo lässt sich etwas einfallen. Seine Kartengrüße sind die reine Verführung.
Man lese nur diesen Satz: "Kuss für Helga auf schöne Augen". Darauf kommt in Deutschland niemand. Und nun stelle
man sich vor, wie der schöne Leonardo das hinhaucht, hinseufzt, hinschluchzt: Kuss für Helga auf schöne Augen ...
Das ist gekonnt, meine Herren.
Ich habe mir Helga angeschaut. In der Tat, Helgas Augen sind schön. Aber sie musste bis Amalfi reisen, bevor es ihr
jemand sagte.
Die «Kapellen-Nachrichten» werden vom Vorstand
des Kapellenvereins herausgegeben.
Für den Vorstand: F.J. Gösmann (1. Vors.) Aus: Illustre Vereinsmitglieder
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