Von den Hessen weiß man, dass sie gern und lustvoll feiern und keine Gelegenheit auslassen, Blasmusik zu machen. Sie veranstalten Straßenfeste und Weinwochen. Zur Tradition rechnen Schützenfest und Winzerfest, das Stiftungsfest der Freiwilligen Feuerwehr und der Wettstreit der Männergesangvereine und Gemischten Chöre. Und immer werden Zelte aufgeschlagen, in denen Riesling trocken und Zwiebelkuchen angeboten werden. „Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein", heißt es bei Goethe. Regiert wird in Wiesbaden. Wiesbaden ist die Hauptstadt des Bundeslandes Hessen. In Wiesbaden geht es eher kühl und vornehm zu, aber im nahen Frankfurt dröhnt und dampft einem das Leben um die Ohren. Gebummelt wird auf der Zeil, rings um die Brunnenschale vor der Alten Oper, auf dem Platz vor dem Römer und bis in die Nacht hinein in Sachsenhausen. Hier in den Kneipen und Kellern, in den Biergärten und auf dem Pflaster der Gasse verbrüdert man sich beim Äbbelwoi, bei Tafelspitz mit Grie Soß (à la Goethe) und bei Handkäs mit Musik. Hessen reimt sich auf essen, und wo es Preiswertes zu essen und zu trinken gibt, da lässt es sich trefflich babbele über den Lauf der Welt. „Man lebt nur einmal in der Welt", sagt Goethe. Der Lauf der Welt, das sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, nehmt alles nur in allem. Vergangenheit ist der Dom in Frankfurt, in dem Kaiser gekrönt wurden. Gegenwart ist der Rhein-Main-Flughafen, das Eingangstor für Millionen Gäste aus aller Welt. Und die Zukunft verbirgt sich in den gigantischen Türmen aus Glas und Stahl, die sich in den schon fast südlichen Himmel recken. In den Wolkenkratzern basteln „am Webstuhl der sausenden Zeit" (Goethe) die Jungs, die Deutschlands Finanz- und Wirtschaftszentrum beherrschen. Geschützte Waldlandschaften Wer Hessen sagt, der sagt auch Naturpark. Hessen ist das Land mit
den meisten geschützten Waldlandschaften. Eigenart und Schönheit dieser Gebiete sollen der Bevölkerung erschlossen und erhalten werden. Tier- und Pflanzenwelt
stellen einen unersetzbaren Wert dar. Es handelt sich um neun Regionen: Bergstraße-Odenwald, Diemelsee,
Hessischer Spessart, Habichtswald, Hochtaunus, Meißner-Kaufunger Wald, Hessische Rhön, Hoher Vogelsberg und
Rhein-Taunus. Weingärten an Sonnenhängen In Wassermühlen, in denen längst kein Korn mehrgemahlen wird, hausen in trauter Runde Maler und Dichter. Die Kunst kommt keck zu Wort. Töpferei und Schmiedehandwerk machen Profit. „Es muss auch Käuze geben" liest man bei Goethe. Liebhaber kaufen Handgewebtes, von Hand gezogene Bienenwachskerzen und schneeige Vliese von Schafen, die wieder die grünen Buckel der Rhön begrasen. Bis in diese Ein-samkeit reichen nicht die Schatten der Bankgiganten vom rechten Mainufer. In Schenken, die sich in Ruinen hoch oben über rotdachverschachtelten, fach-werkzerknitterten Städtchen eingenistet haben, mundet der Riesling besonders gut. Dankbar gedenken wir der Mönche, die den Wein edelten und den guten Tropfen Namen nach ihrem Geschmack gaben: Hattenheimer Engelsberg, Niederwallufer Gottesacker, Oestricher Klostergarten, Hochhei-mer Domdechanay, Lorcher Pfaffenwies, Rüdesheimer Klosterkiesel.
Fürstlich schlemmen in Schlössern Fürstlich isst und trinkt man in den Salons und Orangerien von Schlössern, deren adlige Besitzer sich in preiswertere Quartiere zurückgezogen haben. In Burgruinen, efeubegrünt und umhuscht von Fledermäusen, kommt es bei Kerzenschein in Windlichtern zu Gesprächen über die römischen Legionäre am Limes, die an ihren Gürteln Rotwein in den Hodensäcken von Schafsböcken mit in den Kampf schleppten. Es kommt zu Erörterungen über den Dreißigjährigen Krieg, den der Herr von Grimmelshausen, auch ein Hesse mit Verstand und Witz, so grimmig beschrieben hat. Erinnerung wird wach an Bauernkriege, die Burgen, Schlösser und Klöster in Schutt und Asche legten. Beim Geschluchze von Nachtigallen im Gebüsch und Oestricher Lenchen im Glas beschwören Worte Geist und Ungeist von Zeiten, denen niemand nachtrauert.
Umso inniger genießt man den Rest. Man schaut in diesen blauen,
mit Wölkchen betupften Himmel, der an südliche Zonen erinnert. Schon längst liebt man die blauschwarzen
bewaldeten Höhen, die Weingärten an den Sonnenhängen, die bächleindurchrie-selten Täler mit den Wassermühlen,
Postkutschengasthöfen und Kapellen. Der hl. Sebastian steht da mit pfeildurchbohrter Brust, der für den Bestand
der Brücken zuständige hl. Nepomuk, und die hl. Barbara, die auf dem Schützenfest beim Abziehen der Böller
hilft. In den Kapellen prunken Blumen auf dem Altar, von Kindern rührend hilflos in Marmeladengläser
gestopft. Aus: Osnabrücker Nachrichten 12.1999 Homepage > Zeitungsartikel > Hessen pflegt seine Burgen, Schloesser, Kloester und Landschaften
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