Jean Anouilhs schwarzes Stück „M e d e a " 1960
Die Kammerspiele im Schloss eröffneten die Spielzeit mit einem Einakter
Die Kammerspiele im Schloss eröffneten die Spielzeit am Sonnabend mit dem Einakter „Medea“,
einem „schwarzen Stück“ von Jean Anouilh. Anouilhs „Medea“ (1946) ist die 23. dramaturgische Bearbeitung dieses
Stoffes. Von Euripides bis Csokor spannt sich das Interesse, das diese größte Zauberin und Hexenmeisterin des
griechischen Mythos erweckt hat. Aedeas feinste Kunst war die: Alte Widder jung machen, indem sie das Viehzeug
zerstückelte und mit Kräutern aufkochte. Diese Methode hat die Dichter aller Epochen und Völker ungemein angeregt.
Medea war nämlich gerade dabei, dieses Verfahren auch auf die Männer in ihrer Umgebung auszudehnen.
Sie war geradezu wild darauf, Männer zu zerstückeln. Kein Wunder, dass ihr Mann, der Argonaut Jason, dem zuliebe
sie sogar ihren eigenen Bruder zerlegte und ins Meer warf, mit den Jahren doch Bedenken bekam und an Scheidung
dachte.
Nachdem Jason mit Medea jahrelang in einem Zirkuswagen durch das Land Korinth gezogen war und „Verbrechen auf
Verbrechen gehäuft“ hatte, beschloss er, sich von seiner triebhaft-dämonischen Gattin zu trennen und ein neues,
sozusagen gutes Leben zu beginnen.
Dieses bessere Dasein des Argonauten Jason soll mit einem Hochzeitsfest im Palast Kreons, des Königs von Korinth,
eingeleitet werden. Jason will Kreons sanfte Tochter Kreosa zur Frau nehmen. Er hat es satt, belogen und betrogen
zu werden und immer nur Angst vor dem Zerstückeln zu haben.
Aber er hat es sich zu leicht gemacht, Medea loszuwerden. Die Rache der Zauberin ist furchtbar. Sie schickt ihre
beiden Kinder mit einem Hochzeitsgeschenk in den Palast, und als Kreons sanfte Tochter, wie sanfte Töchter so sind,
arglos das Paket öffnet, der Welt älteste Höllenmaschine, schlagen ihr Flammen entgegen und verbrennen sie samt
ihrem Vater, den Medea einen „lausigen“ König nennt. So ist sie nun einmal vulgär und boshaft.
Da nun der Argonaut Jason herbeieilt, um den Mord zu rächen, findet er seine beiden Kinder und auch die Mutter
erdolcht vor. Bei Anouilh. In der Mythologie flieht die Zauberin auf einem Wagen mit geflügelten Drachen nach
Athen, wo sie ein Geschäft für Giftmorde aufmacht, Diskretion Ehrensache.
Dieses antike Ehedrama, von Anouilh aus dem Mythischen ins Zeitlos-Aktuelle übersetzt, ist weder erfreulich noch
erbaulich, sondern eben nur literarisch.
Eine alternde Furie tötet sich selbst und ihre Kinder, um die Rache am Ehemann vollkommen zu machen.
Der Dichter will in der Brust des Zuschauers Mitleid erwecken mit den unschuldigen Kleinen, Mitleid mit Jason, dem
heiteren Argonauten, der sich in weiblichen Hexenkünsten nicht auskennt. Und endlich führt er zur Verteidigung
Medeas an, dass sie das Werkzeug überirdischer Mächte war.
Gut, wir verzeihen ihr. Der Fall ist ohnehin verjährt.
Was nun das Darstellerische betrifft, war der Einakter glänzend gemeistert.
Edith Lechtapes dämonische Verkörperung der Medea war (bei einigen zu schrillen Worten) eindringlich und tief.
Ihrer Kunst gelang es, im Charakter der Zauberin auch die Herztöne der Mutter- und Gattenliebe und die Sehnsucht
nach häuslichem Glück hörbar zu machen.
Es gibt da eine Szene, wo Jason und Medea vor dem verschmutzten Rad ihres Zirkuswagens kauern und ihre Liebe
abhandeln, die so poetisch, so rührend, so menschlich ist, dass man sich mit dem blutigen Ernst des Dramas ein
wenig aussöhnt.
Und auch Rundshagen ist groß: Dieser Jason stellt sich als treuherziger, liebenswerter Bursche dar, der kühn auf
Abenteuer geht und an der Hexerei seiner Gefährtin keinen Anteil hat.
Lobenswert ist der hohe Grad der Sprechtechnik beider Künstler.
Anne-Liese Johow war bewundernswert als Amme: ein leidendes, wissendes, sorgendes Herz im Hintergrund.
Heinrich Wilbert trat als Kreon, König von Korinth,auf. Arno Bergler spielte einen Jungen, der Botschaft bringt,
und Walter Laugwitz den Wächter.
Die Inszenierung besorgte Heinz Bender-Plück. Kostüme und Bühnenbild schuf Robert Stahl. Die musikalische
Untermalung glückte Heinrich Konietzny. Ungewöhnlicher Applaus bestätigte allen Mitwirkenden Dank und
Anerkennung.
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