Mister Walroß oder 'Die Lust Gutes zu tun'
Rezension
Immer wieder frage ich mich, woran es liegt, dass diese kleinen,
schlichten, ach so bescheidenen, von feinem Humor überzogenen Geschichten des Osnabrücker Erzählers Bernhard
Schulz mir so gefallen, mich so ermuntern (im Sinne von ermutigen), mich veranlassen, diese Empfindung
weiterzusagen? So auch dieses Buch, das in diesen Tagen erschienen ist. Die kurzen Berichte, die zwar im
Alltagsleben unserer Tage angesiedelt sind, aber sich doch in ihrem jeweiligen Anliegen aus dem Allgemeinen
lösen und zeigen etwas auf, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, aber leider nicht (mehr) ist. Es
geschieht ach so wenig in diesen Geschichten, und doch ist der Leser gelangen von dem so alltäglichen Ablauf,
der kaum eine Absonderlichkeit aufzeigt — und dennoch die menschliche Komponente in komprimiertester Weise - oft nur mit einem Satz — heraushebt und uns vor Augen und vor
Herzen stellt, nicht etwa mahnend oder gar mit erhobenem Zeigefinger, nein, ganz unscheinbar, schlicht, mit
Worten, die unsere Umgangssprache ausmachen. Darin liegt wohl die Kunst
dieses Autors, dass er ohne didaktische Mittel und ohne jegliche Methode,
ohne absonderliche Höhepunkt-Gestaltungen, ohne Reizeffekte und ohne jegliches Happy-End eben einfach zu
erzählen weiß . . . Hier ist das Auszusagende so meisterhaft
verdichtet, dass der Leser sich die eingangs gestellte Frage so schwer beantworten kann, weil er es kaum für
möglich hält, dass solche Alltagsbegebenheiten ihn so anzusprechen vermögen. In diesem neuen Band mit dem neugierig machenden Titel Mister Walroß" und dem typisch
Schulz-schen Untertitel ,,Die Lust, Gutes zu tun" sind wieder eine Anzahl — insgesamt 15 — solch ,,wahrer
Begebenheiten" aus dem Leben unserer Tage und unseres Umkreises gesammelt, alle unter dem Motto stehend, dass
Schicksal korrigierbar sei, und zwar ,,durch den bloßen Willen, die Schläge zu
dämpfen". Und das Aufzeigen dieser „möglichen Korrekturen" bei der
literarischen Gestaltung von Lebensschicksalen gelingt dem Autor hundertfältig. Und der Leser vermag sie
nachzuvollziehen, weil er diese Sprache, diese Gestik und diese Ansinnen im Tiefsten versteht und die
erlesenen Inhalte im Grunde wahrhaben möchte.
Kann man einem Geschichtenerzähler Besseres schenken als dieses
Attest?
c.h.k.
Bernhard Schulz / Mister Walroß oder die Lust, Gutes zu tun,
Salzers Volksbücher: 219, 80 Seiten, DM 7.50, Eugen Salzer Verlag, Heilbronn, 1979
Aus: Kultur und Leben, Baden-Baden, Dezember
1979
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