Die schönen Männer

Gibt es in Deutschland schöne Männer? Ja, es gibt schöne Männer, aber sie sind in der Hauptsache beim Fernsehen und beim Film angestellt, und einige werden im Operettenfach beschäftigt. Auf der Straße bekommen wir sie selten zu Gesicht. Wer schöne Männer sehen will, muss sich in südländischen Gefilden umtun. In Italien zum Beispiel ist jeder Kellner so schön wie bei uns der Förster vom Silberwald.
In Italien herrscht an schönen Männern kein Mangel. Sie schreiten als Postboten verkleidet durch die engen Gassen, lochen Fahrkarten oder fassen beim Obsthandel zu. Diese schönen, in südlicher Sonne gebräunten Männer sind immer zu Scherzen aufgelegt. Sie sind so heiter, wie unsereiner nicht einmal an seinem Geburtstag heiter ist, obwohl Geburtstage zum Frohsinn Anlass geben.
Ich bewundere an diesen schönen Männern am meisten, dass sie mit ihrem Schicksal zufrieden sind und auf gar keinen Fall zum Fernsehen wollen. Sie sind auf eine unkomplizierte Weise glücklich.
Woran liegt es nun, dass die südländischen Männer so schön wirken? Sind es ihre schwarzen lockigen Haare, die dunklen mandelförmigen Augen oder das ewige Tralala auf den Lippen? Ist es ihre Art zu schreiten, Netze auszuwerfen, Orangen abzuwiegen und Reklamezettel zu verteilen?
Jedenfalls hinterlässt ihre O-sole-mio-Heiterkeit bei allen Damen, die mit diesen Kerlen nicht verheiratet sind, tiefen Eindruck. Unsere deutschen Damen stellen nämlich Vergleiche an. Sie verlangen, dass auch unser Haar schwarz und unsere Haut braungetönt sei. Außerdem sollen wir Gitarre spielen lernen und uns Vokabeln einprägen, amore zum Beispiel, grandioso, bene und so fort. Amore heißt Liebe, und fast alle anderen Vokabeln drehen sich ebenfalls um Liebe.
Von Fettleibigkeit, Konjunkturdepressionen und schlimmeren Beschwernissen, mit denen wir deutschen Männer zu tun haben, wissen diese Burschen nichts. Mit Problemen geben sie sich nicht ab. Aber in amore, da kennen sie sich aus. Weiß der Himmel, unsereiner kann noch so blond und trutzig tun — in Italien hat er verloren.
Aus meinem Bekanntenkreis hat jüngst das unverheiratete Fräulein Helga Urlaub in Amalfi gemacht. Dort lernte Helga einen Kellner kennen, einen gewissen Leonardo Caleidoscopio, der jetzt an das deutsche Fräulein Karten sendet. Ich muss zugeben, dieser Leonardo lässt sich etwas einfallen. Seine Kartengrüße sind die reine Verführung.
Man lese nur diesen Satz: «Kuss für Helga auf schöne Augen.» Darauf kommt in Deutschland niemand. Und nun stelle man sich vor, wie der schöne Leonardo das hinhaucht, hinseufzt, hinschluchzt: Kuss für Helga auf schöne Augen ... Das ist gekonnt, meine Herren.
Ich habe mir Helga angeschaut. In der Tat, Helgas Augen sind schön. Aber sie musste bis Amalfi reisen, bevor es ihr jemand sagte.